Der Zerfall des Warschauer Pakts ist grosso modo erstaunlich friedlich vor sich gegangen. Jugoslawien, wo viel Blut geflossen ist, war nie Mitglied. Seine Jahrhunderte alten inneren ethnischen Spannungen sind mit dem Ende der Teilung Europas (Ende der Diktaturen sowjetisch inspirierter Prägung) wieder aufgebrochen. Ich bin nicht sicher, ob eine demokratische Alternative zum Elitenprojekt EU eine europäische oder nationalstaatliche sein würde. Die nationalstaatliche Identität der europäischen Bürger ist quer durch alle sozialen Schichten und in allen Altersgruppen, unabhängig davon, ob sie politisch sensibilisiert sind oder nicht, nach wie vor tief verwurzelt. Der Rechtspopulismus hat diese Identität nicht erfunden, sich ihrer aber politisch bedient, als sich durch die Wirtschafts- und Flüchtlingskrise geeignete Auslöser anboten. Dass der mobile „europäische“ oder gar „Weltbürger“ ein Minderheitenprogramm ist, hat R.Dahrendorf lange vor Ausbruch der Finanzkrise in den 1990-iger Jahren festgestellt, als die im Zuge der fortschreitenden Globalisierung (technologisch ermöglichte global vernetzte Wertschöpfungsketten) verstärkte soziale Polarisierung der Gesellschaften in den entwickelten Ländern bereits sichtbar wurde. Ironischerweise hat die Teilung Europas, vermutlich stärker als von der Öffentlichkeit wahrgenommen, zur Bildung einer liberalen europäischen Identität beigetragen.
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